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Robert Schumann, Träumerei op. 15, N° 7

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Scores for Violin, Viola and Cello

Die “Träumerei” aus Robert Schumanns Klavierzyklus “Kinderszenen” ist ein Stimmungsbild, das gegen Ende mit der harmonischen Wendung zum Doppeldominantseptnonenakkord sein unmittelbares Ende findet. Dieses Stück wird häufig in einer Bearbeitung für ein Streichinstrument und Klavier aufgeführt und zwar in der Weise, daß das Streichinstrument die Melodie spielt und das Klavier den verbleibenden Rest zugeteilt bekommt. Dieses Aufteilung der Partitur überläßt nicht nur einen verkümmerten Part dem Klavier zur Ausführung, sondern zerstört die Einheit der sich durchdringenden Einzelstimmen und Akkordtöne. Gerade die Verwobenheit von Melodie- und Begleittönen, deren Gleichwertigkeit und deren labiles Zusammenwirken charakterisiert diese Traumwandlung in Klängen.

Denkbar wäre beispielsweise eine Version für Streichquartett. Die Version für ein Solostreichinstrument stellt allerdings die Aufgabe, den Notentext zu reduzieren, so daß die harmonietragenden Tonhöhen erhalten bleiben. Der originale Klaviersatz enthält beispielsweise einige Oktavierungen, auf die bei einem Streichinstrument verzichtet werden kann. Auch muß der Ambitus um eine Oktave reduziert werden, womit andererseits eine klangliche Verdichtung des ausgedünnten Klaviersatzes gewissermaßen wieder erreicht wird. Die Bearbeitung für ein Streichinstrument transponiert das Stück aus spieltechnischen und klanglichen Gründen von F-dur nach G-dur (Cello und Bratsche) respektive D-dur (Violine), da derart die leeren Saiten und deren Obertöne erklingen können.

Der Rundbogen ist ideal für die Realisation dieser Transkription für ein Solostreichinstrument, da er mit seiner flexiblen Haarspannung sowohl die Einzelstimmen individueller hervortreten läßt, als auch weichere und klangvollere Arpeggien ermöglicht. Akkordische Zusammenklänge sind insbesondere am Ende des Stücks von einschneidender Klangwirkung. Dies betrifft den siebenstimmigen Doppeldominantseptnonenakkord mit Fermate, wo im originalen Klaviersatz ebenfalls kein Arpeggio verzeichnet ist, – im Gegensatz zu etlichen Parallelstellen. Dieser Akkord bedeutet nicht nur eine Steigerung sondern stellt auch eine Überraschung dar gegenüber seinem Pendant zu Beginn in Takt 6. Dort nimmt der Akkord die Funktion als Zwischendominante zur Tonikaparallele wahr. Ebenso vorteilhaft ist der Rundbogen für die ebenfalls nicht arpeggierte Ausführung der drei Schlußakkorde, die die auflösende Antwort auf den fulminanten Spannungsakkord zuvor sind, sie bilden den versöhnenden Abschluß nach der übermäßigen None.

Michael Bach Bachtischa

Wissembourg, 2021

Im Gedenken an August Everding

(1928 – 1999)

Intendant der bayerischen Staatstheater, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, aufgenommen am 11.11.1997 während der Preisverleihung des Internationalen Theaterinstituts (ITI) in München. Foto: dpa

 

Meine erste und einzige Begegnung mit August Everding datiert vom 18. Oktober 1996. Er hielt die Festrede zum 75-jährigen Jubiläum der Donaueschinger Musiktage 1.

Bevor er seine eigentliche Rede begann, ging er auf den Tenor und Titel des vorherigen Grußworts von Helmut Lachenmann ein, hier zitiert aus der Erinnerung:

Sehr verehrter Herr Lachenmann, Ihre tiefgründigen Ausführungen in Ehren, ich habe sie mit großer Neugierde und Interesse verfolgt, aber bitte, sagen Sie nicht: ‘Die Musik ist tot’. Kunst und Musik werden niemals sterben. In Zürich sah ich auf einer Hauswand ein Griffiti: ‘Gott ist tot’ unterzeichnet war es mit … (er führte begleitend eine waagrechte Handbewegung aus): ‘Nietzsche’. Doch damit noch nicht zu Ende, denn darunter war in gleicher Weise, die kategorische Aussage konterkarierend gesprayt: ‘Nietzsche ist tot”, … horizontale Handbewegung: ‘Gott’“.

Das war “Everding” pur. Das Publikum lachte (erleichtert). Schließlich befand man sich ja inmitten eines Zirkels, wo traditionell besonders kritisch über Musik reflektiert wird, – und wo man zugegebenermaßen vielleicht das eine oder andere Mal ein wenig über das “Ziel” mit Enthusiasmus hinausschießt, mit einer allzu überspitzten Wortwahl.

Mehr habe ich von Everdings Vortrag nicht mehr in Erinnerung, dieses treffliche Eingangswort schlug mich in seinen Bann und vielleicht war es sowieso die Essenz seines Vortrags.

Überraschend für mich war aber damals, daß Everding sich mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzte. Noch nie vorher fiel mir Everding in diesem Kontext auf, obwohl er höchst medienpräsent war. Seine Äußerungen und sein Konterfei waren in Kunst- und Theater-, aber auch in Politikkreisen allgegenwärtig. Es ging das ironische Bonmot um: “Wenn August Everding auf einem kursierenden Foto nicht abgebildet ist, dann muß er wohl hinter der Kamera gestanden haben“.

Diese offene Geisteshaltung und seine lebendige Dialogbereitschaft war dann kurze Zeit später für mich der Beweggrund, ihm meine Arbeit mit dem Rundbogen vorzustellen. Ich erwartete dazu von ihm kein Statement, denn er war ja “nicht vom Fach”. Um so erstaunlicher war dann sein Brief vom 29. April 1997: